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Vogelschlag an Glasscheiben

Quelle: LfU, Bernd-Ulrich Rudolph

Hintergrund

Glasfassaden an Gebäuden bergen immer die Gefahr von Vogelschlag. Täglich kommen Vögel beim Aufprall an Glasflächen durch Hirnblutungen oder Genickbruch ums Leben. Vögel, die zunächst überleben, sind oftmals traumatisiert, erleiden Energieverluste oder innere Blutungen und sterben kurze Zeit später abseits des Unfallorts. Die Staatlichen Vogelschutzwarten schätzen, dass jährlich mehr als 100 Millionen Vögel an Glasscheiben in Deutschland verunglücken.

Wir informieren Sie hier über die Beobachtungen des Vogelschlags an unserem eigenen LfU-Gebäude und über mögliche Lösungsansätze.
Die im Text erwähnten Abbildungen finden Sie im untenstehenden PDF "Abbildungen 1-3".

Ursachen für den Vogelschlag

Vögel nehmen transparente Glasscheiben, z. B. an verglasten Übergängen, Balkonen, Wintergärten, Wartehäuschen an Haltestellen oder Lärmschutzwänden, nicht als Hindernisse wahr. Sie erkennen häufig auch Glasflächen, die die Landschaft oder den Himmel spiegeln, nicht oder zu spät.

Lösungsansätze

Als Lösungsansätze kommen alle Maßnahmen in Frage, die die Glasscheiben für Vögel erkennbarer machen. Ein Großteil der Kollisionen von Vögeln mit Glasscheiben ist vermeidbar. Am besten ist es, bereits im Planungsstadium eines Gebäudes das Problem des Vogelschlages einzubeziehen. Dabei gilt es insbesondere, transparente Durchsichten und Spiegelungen zu vermeiden.
Greifvogel-Silhouetten haben nachweislich keine abschreckende Wirkung auf Vögel. Sie werden lediglich als Flecken wahrgenommen, an denen sie vorbeifliegen können. Somit müsste man sie sehr dicht kleben, damit sie als Abwehrmaßnahme überhaupt funktionieren würden. Auch ist der Kontrast bei dunklem Hintergrund sehr gering. Sie sind daher nicht zu empfehlen. Auch die Verwendung des so genannten Birdpens und anderer Markierungsmethoden, die auf die Wahrnehmbarkeit des ultravioletten Lichts durch Vögel abzielen, können nicht empfohlen werden.

Empfehlenswert sind:

Streifen, Punkte und sonstige Muster

Streifenmuster aus farbiger Folie oder eingefräst an Scheiben mit Durchsicht auf dahinter liegende Landschaft (z.B. an Lärmschutzwänden, Wartehäuschen an Haltestellen oder anderen Verglasungen außerhalb von Wohn- und Arbeitsbereichen) dienen der Untergliederung der großen Fensterflächen, die somit von den Vögeln als flächiges Hindernis wahrgenommen werden. Eine Markierung in Form von vertikalen Streifen von 2 cm Breite in 10 cm Abstand (oder 1 cm Breite in 5 cm Abstand) verhinderte in Tests am effektivsten die Kollisionen. Die Streifen müssen dabei nicht zwingend symmetrisch ausgerichtet sein. Auch Punktreihen bzw. Punktraster mit einem Deckungsgrad von mind. 25 % und einem Minimaldurchmesser von 5 mm sind möglich. Es gibt bereits mehrere geprüfte Vogelschutzmuster, die das Vogelschlagrisiko nachweislich senken (siehe Verlinkungen).

Aufhebung der Durchsicht

Verwendung von mattierten, farbigen oder strukturierten Scheiben, die keine Spiegelung zulassen. Auch eine Mischung verschiedener Materialien ist denkbar.

Auf Fensterputzen so lang wie möglich verzichten

Staub und Schmutz erhöhen die Wahrnehmbarkeit der Scheiben für Vögel. Generell sollten die Fenster von Bürogebäuden und Funktionsbauten nicht öfters als einmal und möglichst früh im Jahr geputzt werden, damit sich bis zur Hauptzugzeit der Vögel von September bis November auf sie ein Sch(m)utzfilm gelegt hat. Für diejenigen, die in den Büros arbeiten, entsteht dadurch erfahrungsgemäß keine Beeinträchtigung. Am LfU hat man aus diesem Grund den Zyklus der Fensterreinigungen 2009 von ursprünglich zweimal jährlich auf einmal etwa alle zwei Jahre erweitert, was zusätzlich den Vorteil von erheblichen Kosteneinsparungen mit sich brachte.

Bauseits Verwendung entspiegelter Fenster

Werden vorbeugend entspiegelte Glasscheiben eingebaut, lassen sich Vögel nicht so leicht durch Landschaftsspiegelungen täuschen. Der Reflexionsgrad der Scheiben sollte nicht über 8 % liegen.

Attraktivität der Umgebung für Vögel beachten

Baumbestand und Gebüsche ziehen Vögel an, die darin Schutz oder Nahrung oder beides suchen. Fensterfronten vor Glasfassaden (vor allem vor spiegelnden Fassaden) sind daher besonders gefährlich und sollten entsprechend mit wirksamen Markierungen geplant oder ausgestattet werden.

Grünflächen um Gebäude bereits im Spätsommer mähen

Bei Gebäuden, die von naturnahen Grünflächen, also keinen Rasenflächen, sondern Wiesen umgeben sind, sollte die zweite Mahd im Sommer anstatt im Herbst oder Winter durchgeführt werden. Dies verhindert, dass im Herbst und Winter ein nennenswerter Aufwuchs an Kräutern vorhanden ist, der eine Anziehungskraft auf Nahrung suchende Kleinvögel wie den Stieglitz ausübt.

Vorsicht geboten ist bei der Anbringung von:

Feinmaschigen Netzen vor den Glasflächen oder Schnüre

Dadurch werden die Fenster für die Vögel besser erkennbar. Allerdings sind Netze der Witterung ausgesetzt und häufig nicht von Dauer. Für Bürogebäude u. U. als zeitlich befristete oder Sofortmaßnahme an Brennpunkten geeignet, sofern sich keine Vögel in den Netzen verheddern können. Besser sind evtl. senkrechte Schnüre in dichtem Abstand.

Nicht zu empfehlen sind:

Produkte, die auf den so genannten Spinnennetzeffekt und die UV-Wahrnehmbarkeit von Vögeln verweisen.

Manche Vogelarten sind gegenüber UV-Licht sensibel. Diese Eigenschaft versucht man auf Glasflächen zu übertragen, indem man bauseits in das Glas Strukturen einschließt, die UV-Licht absorbieren, oder diese nachträglich mittels Folie oder einem Markierungsstift aufbringt. Dadurch soll ein Muster im Glas entstehen, das Vögel wahrnehmen, nicht aber der Mensch.
Solches so genanntes „Vogelschutzglas“ und derartige Markierungen können derzeit nicht empfohlen werden. Sie haben sich in wissenschaftlichen Tests nicht als wirksam genug erwiesen. Am LfU wurde in einem Praxisversuch der Markierungsstift Birdpen ab Mai 2009 an den vier transparenten Über- und Verbindungsgängen angebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden 47,7 % der Opfer an diesen Gängen gezählt. Danach betrug der Anteil der Anflüge 17,7 %. Damit deutet sich zwar ein gewisser Effekt an, der jedoch nicht stark genug ist, um diese Maßnahme weiterzuempfehlen.

Was tun, wenn ein Vogel an die Scheibe geflogen ist und noch lebt?

In eine dunkle Schachtel setzen und vorerst in Ruhe lassen. Nach etwa ein bis zwei Stunden öffnen und sehen, ob der Vogel davon fliegt. Fliegt dieser nach kurzer Orientierung nicht weg, wenden sie sich an eine Vogelpflegeeinrichtung oder einen Tierarzt. Oftmals sind die Heilungschancen durch innere Blutungen und Schädel-Hirn-Traumata gering, meist sind diese tödlich.

Beobachtungen am LfU

Das Gebäude des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) im Süden Augsburgs ist ein moderner, von Glasfassaden geprägter Bau. Das Gebäude des LfU weist vier jeweils nach Westen ausgerichtete dreigeschossige Gebäudeflügel auf.
Drei von ihnen sind an der Ostseite durch ein etwa 130 m langes ein- bis dreigeschossiges Querbauwerk verbunden. Die Ostseite sowie fünf der Längsseiten von drei Flügeln bestehen überwiegend aus Glas (geschätzt 70 bis 90 %; Abb. 1).
Die Längen der Glasfassaden an diesen Flügeln umfassen circa 85 bis 110 m, im Durchschnitt ca. 95 m. Am südlichsten Gebäudeflügel (88 m) sowie an der nördlichsten Längsfassade (143 m) umfassen die Glasanteile etwa 40 %. Die nach Westen ausgerichteten Stirnseiten von drei Flügeln sowie zwei Begrenzungen der Innenhöfe (Abb. 1) weisen ebenfalls hohe Glasanteile auf.
Zwischen den vier Flügeln gibt es insgesamt fünf Verbindungs- und Übergänge, von denen vier transparent verglast sind (Abb. 1), ein Übergang ist mit mattierten Glasscheiben ausgestattet.

Bereits kurz nach Bezug des Gebäudes 1999 wurde klar, dass Vogelschlag auch hier ein Problem darstellt. Daher wurde der Vogelschlag über mehrere Jahre hinweg beobachtet, um die Größenordnung zu bestimmen, mögliche Brennpunkte zu erfassen und daraus Maßnahmen zur Vermeidung abzuleiten.
Systematisch erfasst wurden die Anflüge in den Jahren 2000 und 2001 (wöchentlich ein Rundgang um das Gebäude) und zwischen Mitte September 2013 und Mitte August 2015 (täglich eine Begehung der zuvor bereits identifizierten Brennpunkte). Ansonsten wurden alle Fälle von Vogelkollisionen seit dem Bezug des Gebäudes, die von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gemeldet wurden, dokumentiert.

Die Beobachtungen im Einzelnen

Artenspektrum und Anzahl:

213 Vögel von 39 Arten wurden nachgewiesener Maßen seit der Einweihung des LfU Opfer des Vogelschlages. Der überwiegende Teil davon (ca. 87 %) verunglückte tödlich. Bei der Zahl der Kollisionsopfer ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, die bis etwa das Fünffache der gefundenen Vögel umfassen kann, da die verunglückten Kleinvögel häufig rasch von Räubern wie Krähen, Katzen oder Mardern entdeckt und entfernt werden.

Vier Arten, nämlich Rebhuhn (6,0 %), Stieglitz (7,0 %), Kohl (9,5 %) und Tannenmeise (18,4 %), sind überproportional häufig vertreten. Kohlmeise, Stieglitz und Rebhuhn sind oder waren (Rebhuhn) Brutvögel und Nahrungsgäste, die in unmittelbarer Nähe des LfU fast ganzjährig vorkommen oder vorkamen. Ihr Anflugrisiko ist daher relativ hoch. Die Tannenmeise dagegen erreicht das LfU nur während der Zugzeiten, da ihre Brut- und Nahrungshabitate im Nadelwald liegen.

Jahreszeitliche Schwankungen:

Die Vogelaktivität rund um das LfU und damit auch die Anflüge an Glasscheiben sind über das Jahr nicht gleichmäßig verteilt. Vor allem im Herbst von September bis November erfolgten vermehrt Fensteranflüge, genau zur den Herbstzugzeit vieler Kleinvögel. Aus diesen drei Monaten stammen fast 60 % der Kollisionen.

Kritische Gebäudeteile:

Obwohl sich die mit Abstand größten Glasflächen an den Längsseiten des Gebäudes befinden, liegen die Brennpunkte des Vogelschlags, also Gebäudeteile, an denen sich Kollisionen häufen, woanders. Sie lassen sich dank des systematischen wie unsystematischen Vogelschlagmonitorings bestimmen. Betroffen sind vor allem die verglasten Übergänge, die eine transparente Durchsicht bieten, sowie Gebäudeteile, die quer zur Zugrichtung der Vögel liegen und oder besonders großflächig sind. Das sind vor allem die Glasfronten an den Stirnseiten der Flügel im Osten des Gebäudekomplexes sowie die ausgedehnten Glasfronten am Ende der Innenhöfe, am Vortragssaal und an der Bibliothek.

Entwicklung seit 2000:

In den Jahren nach der Errichtung des LfU verunglückten deutlich mehr Vögel als später. Das liegt einerseits daran, dass sich die Umgebung durch Bebauung verändert hat, weshalb beispielsweise das Rebhuhn nicht mehr um das LfU vorkommt oder Stieglitzschwärme seltener geworden sind. Andererseits wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der Scheibenanflüge zu verringern.